Ausstellung
02. July 2021

inframince infra-mince infra mince

Universitätsgalerie Heiligenkreuzer Hof

Buchpräsentation, 29. Juni 2021, 17 bis 20 Uhr

Ausstellungsdauer: 12. Mai bis 2. Juli 2021
 
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag, 14 bis 18 Uhr
 
Künstler*innen
Katarina Baumann, Oscar Cueto, Annika Eschmann, Agnes Fuchs, Lisa Großkopf, Kyungrim Lim Jang, Jakob Kirchweger, Marlene Lahmer, Sophia Latysheva, David Moises, Jürgen Münzer, Luīze Nežberte, Olaf Nicolai, Mara Novak, Lara Reichmann, Stephanie Rizaj, Selina Rottmann, Imogen Stidworthy, Céline Struger, Huda Takriti, Kai Trausenegger, Lukas Troberg, Timm Ulrichs, Thomas Wagensommerer, Hui Ye
 
Leitungsteam
Stephan Hilge, Roman Pfeffer, Nita Tandon
 
Ausstellungstitel
Rainer Wölzl
 
Kuratorisches Konzept, Display und Umsetzung
Gudrun Ratzinger, Franz Thalmair
 
Publikation
Mit Beiträgen von Sabine Folie, Patricia Grzonka, Christian Höller, Heidrun Rosenberg, Franz  Thalmair & Gudrun Ratzinger, Wolfgang Ullrich sowie einem Gespräch mit Franz Schuh von Kathi Hofer
Gestaltung von Vika Prokopaviciute & Florian Regl
304 Seiten, ca. 250 Abbildungen; DeGruyter, Berlin: 2021
 
 
Dekoloniale Multispezies-Wissenschaften (einschließlich vielfältiger, multimodaler menschlicher und nichtmenschlicher Sprachen) und der unbegrenzt erweiterbare Transwissensansatz namens EcoEvoDevoHistoEthnoTechnoPsycho (ökologisch-evolutionäre-entwicklungsgeschichtlich-historisch-ethnografisch-technologisch-psychologische Wissenschaften) ermöglichten entscheidende, vielschichtige und eng geknüpfte Forschungen für die Kompostisten.
— Donna Haraway
 
Trans sein heißt, einen Prozess der inneren „Kreolisierung“ herbeizusehnen, es heißt zu akzeptieren, dass es nur kraft der Veränderung, der Mutation, der Métissage gelingen kann, man selbst zu sein.
— Paul B. Preciado
 
Was wäre, wenn es eine infrarote Schnittstelle (d. h. eine drahtlose Verbindung) zwischen dem Messinstrument und einem Computer gäbe, der Daten sammelt? Schließt der Apparat den Computer ein? Ist der Drucker, der mit dem Computer verbunden ist, Teil des Apparats? Gehört das Papier dazu, das in den Drucker gegeben wird? Und die Person, die das Papier einlegt?
— Karen Barad
 
 
Ausgehend von der Idee wechselseitiger räumlicher wie zeitlicher Durchdringung, folgt das Projekt inframince infra-mince infra mince in den Formaten Ausstellung und Buch der Frage, was transdisziplinäre Kunst heute auszeichnen könnte. Der hier verwendete Konjunktiv ist programmatisch zu verstehen. Denn der Fokus des Ausstellungs- und Publikationsprojekts liegt nicht auf begrifflichen Festschreibungen und kategorialen Abgrenzungen, sondern richtet sich an einer Idee von künstlerischer Forschung, an Phänomenen, Praktiken und Verfahrensweisen aus, anhand deren das vielgestaltige Feld aktueller künstlerischer Produktion durchquert werden kann. Dabei fungiert die Auseinandersetzung mit grundlegenden Parametern der Kunstproduktion wie Material und Raum sowie mit prozedural und damit raumzeitlich angelegten Konzepten wie Osmose, Recherche und Zirkulation als Beginn von Erkundungen in ein Feld, das potenziell in alle Richtungen hin offen ist. Die Ausstellung inframince infra-mince infra mince geht jenen flüchtigen Momenten nach, in denen unterschiedliche künstlerische, theoretische, wissenschaftliche oder alltagskulturelle Elemente aufeinandertreffen. Momente, in denen sich Kunst, Theorie, Wissenschaft und Alltag aneinander reiben, miteinander verschränken oder ineinander aufgehen – und sich in buchstäblicher wie sprichwörtlicher„Respons-abilität“1, also in der Fähigkeit zur wechselseitigen Bezugnahme und „Ver-antwortung“, verändern.
            Als Basis für die Ausstellung und die Publikation dient die zehnjährige künstlerische wie lehrende Praxis des Fachs TransArts an der Universität für angewandte Kunst Wien. TransArts bezieht Kunstpraxis und Kunsttheorie produktiv aufeinander und versteht diese Schwesternfelder als im künstlerischen Alltag nicht nur gleichwertige, sondern miteinander verknüpfte Erkenntniszugänge. Dieser Zusammenhang wird mit Marcel Duchamps „inframince“2, der Idee des hauchdünnen, überfeinen und nicht zuletzt unentscheidbaren Dazwischen, zur Metapher für jene schwer zu bestimmenden Punkte, an denen sich der allgegenwärtige Anspruch nach Transdisziplinarität einzulösen vermag.
 
Kuratorischer Prozess
Begreift man die aktuelle Kunstproduktion vor dem Hintergrund eines derartigen Moments der Verbindung nicht nur als Arbeit an singulären Bildern oder Gegenständen, sondern wie der Kunsthistoriker David Joselit als Wirken innerhalb eines „Beziehungsgefüges von Kräften“, liegt nahe, dass sich Kunst heute vor allem in „Links“, „ihrem Wesen nach verknüpften Netzen“ und „differenziellen Feldern“3 äußert. Die Ausstellung inframince infra-mince infra mince und das gleichnamige Buch machen den Vektor <lat.> „trans-“ (nach, jenseits) wie er etwa in Transformation, Transkription, Translokation und nicht zuletzt in TransArts gebraucht wird, zum bestimmenden kuratorisch-künstlerischen Prinzip: Der von langjährigen Lehrenden des Fachs TransArts initiierte Prozess begann mit der Findung von fünf Parametern, die für die künstlerische, theoretische sowie kuratorische Praxis der handelnden Personen stehen.
            Entlang der Abstrakta „Material“, „Raum“, „Osmose“, „Recherche“ und „Zirkulation“ und durch begleitende Auswahl von Kunstwerken sollten die Bedingungen und Voraussetzungen von TransArts reflektiert werden. Die zu Beginn ausgewählten Kunstwerke stammen nicht nur von Absolvent*innen, sondern auch von Gastvortragenden, die im Lauf der Jahre zum Werden des künstlerisch-lehrenden Programms der Klasse beigetragen haben. Fünf der im ersten Schritt involvierten Absolvent*innen nahmen den Ball auf und wählten ihrerseits Werke von Studierenden aus. Alternierend setzte sich diese Vorgehensweise in mehreren Durchgängen fort, um TransArts als gleichermaßen offenem Verfahren und prozeduraler Methode Rechnung zu tragen.
 
Prinzip Fortschreibung
Das kuratorische Prinzip nimmt damit Methoden der Weitergabe und der Fortschreibung auf, wie sie mit spielerischen Verfahren wie „Stille Post“ oder „cadavre exquis“ praktiziert werden, um das Feld von TransArts entlang fünf räumlich wie zeitlich organisierter Linien mit insgesamt 25 künstlerischen Positionen zu durchqueren. Wie auch bei „Stille Post“ oder bei „cadavre exquis“ ist nicht das Ergebnis des Prozesses vorrangig, sondern die Übergangssituationen, die von den einen zu den nächsten Beteiligten, von einem zum nächsten Inhalt, von einem zum nächsten Zustand führen, stehen im Zentrum. Es geht nicht um singulär gedachte Werke, sondern um das, was zwischen den und mittels der ausgewählten Kunstwerken sichtbar wird. Es geht somit auch um die multidirektionalen Beziehungen zwischen den am Verlauf beteiligten Protagonist*innen, die Reziprozität zwischen Kunst und Theorie sowie das Überschreiten von Disziplinengrenzen. Und letztlich geht es um Fragen nach den dauerhaften Veränderlichkeiten des Zu- und Miteinanders von Personen, Inhalten, Formen und Materialien.
 
1 Vgl. Donna Haraway, Unruhig bleiben. Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän, Frankfurt/M.: Campus, 2018.
2 Marcel Duchamp, Notes, hg. v. Paul Matisse, Paris: Flammarion, 2008, S. 21.
3 David Joselit, Nach Kunst, Berlin: Aug

Info

Heiligenkreuzer Hof (Eingang Grashofgasse 3 oder Schönlaterngasse 5), A-1010 Wien

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